Apis mellifera / Strukturen
Sein ganzes Glück, wie das des Philosophen Skytha, bestand in einem schönen
Garten, und unter dessen Schönheiten liebte er am meisten und besuchte er am
häufigsten einen Bienenstand von zwölf Strohglocken, die er mit hellem Gelb,
Rosenrot und vor allem mit zartem Blau angestrichen hatte, denn er wusste schon
lange vor den Experimenten von Sir John Lubbock, dass Blau die Lieblingsfarbe der
Bienen ist.
Maurice Maeterlinck: „Das Leben der Bienen“
Katharina Neuweg erkundet malerisch und plastisch das Zusammenwirken von Farbe und Form. Sie lässt Räume entstehen, die einerseits, wie bei Wabe Nr.2, als mystische und dystopische Behausungen angelegt sind, wie sie Maurice Maeterlinck beschreibt. Bei Maeterlinck konstruieren die Bienen in vollkommener Dunkelheit nach geheimen Plänen labyrinthische Städte. Neuweg arbeitet mit Gips und Papier und entwickelt eine serielle Struktur, die sich unregelmäßigen Waben fortsetzt und immer weitere zu wachsen scheint. Als Kontrast in Neon-Gelb eingefärbt bilden sich Waben auch im Rähmchen auf der Gegenüberliegenden Wand.
Andererseits schafft sie in »Strukturen« mit leichten Linien sich auffaltende Formen, ganz ähnlich wie jene technischen, kristallinen Vieleckkonstruktionen, die bei technikaffinen Architekten wie dem legendären Richard Buckminster Fuller zu utopischer Architektur werden.
In den Grundfarben von Blau und Gelb, manchmal auch Rot, legt Neuweg Formsequenzen an. Der malerische Gestus ist immer erkennbar. So erscheinen sie weniger als technische Konstruktionen, sondern als atmosphärische Archetypen von wachsenden Strukturen. Und mit den Strukturen probiert Katharina Neuweg aber keineswegs, die Wabenkonstruktionen von natürlichen Bienen zu imitieren. Es geht um ein Nachproben der Prozesse, einem Bienen-inspirierten Arrangement der Form.
Und auch der Farbe. Katharina Neuweg studierte Malerei in München und ihre Fragen kommen aus der Malerei. So ist eine wichtige Referenz die amerikanische Abstraktion mit Vertretern wie Barnett Newman. Newman setzte sich unter dem Titel “Who is afraid of Red, Yellow and Blue?” – Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau? – mit der Wirkung der drei Grundfarben auseinander. Er experimentierte, wie Farbabfolgen aufeinander wirken. Die drei Grundfarben sind in Hinblick auf die Bienen interessant, da nach wissenschaftlichen Erkenntnissen Bienen zwar sehr gut auf Gelb und Blau reagieren – Blau gilt als Lieblingsfarbe der Bienen – Rot jedoch nehmen sie nur als schwarz wahr.
Katharina Neuweg entwickelte daher für Struktur (Nr. 4) ein System, die Farben in Dreiecken
aufeinanderfolgen zu lassen. Hieraus ergeben sich formen und die Dreiecke bilden wiederum Sechsecke, die Waben ergeben. Was aber passiert, wenn das Rot nicht sehr sichtbar ist, sondern nur noch als schwarz wahrgenommen wird? Diese Wahrnehmungsveränderung vermittelt das großformatige Gemälde Struktur (Nr 5).
Die Serie der kleinformatigen Gemälde der »Beuten« zeigen die verschiedenen Formen, die
historisch in Europa zur Bienenhaltung eingesetzt wurden und teilweise noch immer werden.
Früher verwendete man einfache Tonkrüge, um Bienen zu halten, zum Beispiel in der
minoischen Hochkultur auf Kreta vor 3.000 Jahren, auch geflochtene Körbe oder Gefäße aus
anderen Materialien wurden benutzt. Mit der malerischen Abstraktion in den Bienen-Farben
Blau und Gelb ergibt sich eine vergleichende Typologie. Die Farbflächen, Blau und Gelb,
repräsentieren Inhalt oder Außenraum, geben Ende und Beginn des Behältnisses an.
Neuweg befasst sich seit Längerem mit dem Thema des Gefäßes und in diesem
Zusammenhang mit der Entstehung von Formen, von Innen und Außen, dem Positiv und
Negativ.
Schließlich erfolgt eine Auseinandersetzung mit Musik. Die Klänge, die im Ausstellungsraum zu hören sind, sind auf der Grundlage der Notationen von ambrosianischen Gesängen entstanden. Ambrosius gilt als der Schutzpatron der Bienen. Es sind zwei Kompositionen mit dem Titel »Flugloch«.
(Text: Kunsthistorikerin Christina Katharina May)
Apis mellifera ist eine seit 2017 sich fortlaufend entwickelnde Arbeit zum Thema der europäischen Honigbiene zusammen mit Dana JES